Die Geschichte Otterstadts

1747

Die Kirchengeschichte Otterstadts – Mittelalter und Frühe Neuzeit

Der Bischof von Speyer war nicht nur oberster weltlicher Landesherr von Otterstadt, das Dorf unterstand ihm auch in geistlichen Angelegenheiten. Die Kirche des 614 erstmals sicher bezeugten Bischofs von Speyer war auch die Hauptkirche der ersten Gläubigen Otterstadts. Mit der Schenkung des Dorfes vor 1090 durch Bischof Rüdiger an das Speyerer St. Guidostift übernahm dieses auch die Seelsorge in dem Ort; seitdem war die Stiftskirche von St. Guido die Mutterkirche von Otterstadt.

Dorfansicht mit „Kirchlein am See“. In der Mitte der Zeichnung ist auch das alte Rathaus mit den hölzernen Arkaden zu sehen (Ausschnitt aus: LASP, Best. W1 Nr. 358)

Die erste Pfarrkirche von Otterstadt war das am östlichen Dorfrand unweit des Rheins gelegene „Kirchlein am See“. In einer Urkunde vom 7. August 1234 wird sie erstmals erwähnt, als der Stiftspropst bei St. Guido, Konrad von Steinach, das bisher seiner Propsteipfründe zustehende Patronatsrecht zu Otterstadt seinem Stiftskapitel schenkte.

Seitdem hatte das St. Guidostift den Pfarrvikar oder Pleban in Otterstadt zu besolden. Kirchenpatrone waren der hl. Remigius und der hl. Pantaleon. Den ersten Namen eines Pfarrers erfahren wir erst aus einer Urkunde von 1419.

Lichtenberger im Gebet (nach Bernhard Bonkhoff einziges Bildnis Lichtenbergers); Quelle: Westricher Heimatblätter, Jg. 48, Dez. 2017, H.4, Seite 171

Der wohl bedeutendste deutsche Astrologe des Mittelalters, Johannes Lichtenberger (geb. um 1426 in Grünbach bei Baumholder, gest. vor April 1503 in Niederbrombach), der seine Laufbahn als Hofastrologe Kaiser Friedrichs III. krönte, ist 1460 als Pfarrer in Otterstadt belegt und wahrscheinlich auch hier auf dem Friedhof beim ehemaligen „Kirchlein am See“ begraben. Sein Hauptwerk ist die 1488 erstmals erschienene „Prognosticatio“ (“Astrologische Vorhersage der drei Stände bis zum Jahr 1576“).

Quelle: U. Stanzl
Das alte Pfarrhaus ist heute Teil des Otterstadter Kulturzentrums „Remigiushaus“

1517 stiftete die Pfarrgemeinde die Bruderschaft „der elenden kerze“, die bis zum Dreißigjährigen Krieg bestand.  Die beiden Vorstände der Bruderschaft („Kerzenmeister“) hatten das Verzeichnis der Mitglieder (Brüder und Schwestern) zu führen, das Bruderschaftsvermögen zu verwalten und für die Lesung der Sonntagsmesse Sorge zu tragen.

Von den beiden wichtigsten Ereignissen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, der Reformation (ab 1517) und dem Bauernkrieg (1524/25), wurde Otterstadt nach Ausweis der Quellen kaum berührt; das Hochstift Speyer und das St. Guidostift verhinderten in ihrem Einflussbereich die Ausbreitung der neuen Lehre.

Ein Glöckner ist in Otterstadt erstmals Ende des 16. Jahrhunderts erwähnt.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der auch das katholische Kirchenwesen ins Mark getroffen hatte, hatte Otterstadt über 80 Jahre lang keinen Pfarrer am Ort, sondern wurde von Speyer aus durch Geistliche des St. Guidostiftes oder in Speyer ansässiger Orden seelsorglich mitversorgt. Die Reihe der Weltgeistlichen als ständige Pfarrer in Otterstadt setzt erst 1732 ein; 1734 wurde für sie das Pfarrhaus und die Scheune erbaut.

Marienkapelle beim Otterstadter Friedhof (Foto: H. Katz)

1728 wurde aufgrund einer Stiftung der Eheleute Johannes Hermann und Maria Salome Nelchen die Marienkapelle, auch Nepomukkapelle genannt, an der Mannheimer Straße westlich des heutigen Friedhofs erbaut – dort ist bereits 1600 ein „Weißes Bild“, vielleicht eine Mariendarstellung, belegt.

Sie ist damit wohl in ihrer Grundsubstanz das älteste erhaltene Gebäude im Dorf. An ihrer Stelle wurde im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts der heutige Bau in neugotischen Formen errichtet.

 

Links: Alte Kirche (Foto: V. Kirsch); Rechts: Bildstock beim Schmale Behl (Foto: H. Katz)

Da Wetter, Kriege und vor allem das Hochwasser von 1740 dem „Kirchlein am See“ sehr zugesetzt hatten, erbaute die Gemeinde an ihrer Stelle 1747-1750 die „Alte Kirche“ (heute Remigiushaus) vermutlich nach Plänen Johann Georg Stahls, Baumeisters des Fürstbistums Speyer. Dabei wurde das „Kirchlein am See“ 1748 gänzlich abgetragen und seine Materialien für den Neubau verwandt. Namenspatrone der am 16. August 1750 durch den Speyerer Weihbischof Johann Adam Buckel geweihten Kirche wurden, wie schon in der Vorgängerkirche, der heilige Remigius und der heilige Pantaleon; als weiteres Patrozinium wurde auf Wunsch des Bischofs Franz Christoph von Hutten Mariä Himmelfahrt (15. August) eingeführt.

1783 wurden zwei bis heute erhaltene Bildstöcke am Binshöfer Kreuz (Ecke Speyerer/Lindenstraße) und in der Herdlache (beim Schmale Behl) errichtet.