Thomas Horn aus Otterstadt verfolgt bei der Erklärung des Ortsnamens einen interessanten Ansatz. Der passionierte Hobby-Archäologe stützt seine Vermutung, dass der Name Otterstadt römischen Ursprungs sei, auf zahlreiche Fundstücke aus der Römerzeit. Anhand der historischen Relikte zieht er Rückschlüsse auf die frühere Bedeutung Otterstadts, die letztlich zum Ortsnamen führte. Auch seine Theorie zu den Ursprüngen des Ortsnamens lässt sich jedoch wissenschaftlich nicht belegen.
Neues zur Geschichte und neue Deutung des Ortsnamens
von Thomas Horn
Otterstadt ist wortwörtlich ein einmaliger Ort. Ihn gibt es in Deutschland nämlich nur einmal im Ortsverzeichnis. Lediglich in Norddeutschland gibt es einen ähnlich geschriebenen Ort namens Otterstett.
Da stellte sich mir die Frage- warum? Was ist eigentlich bekannt von Otterstadt?
Otterstadt liegt auf einer Landspitze am Hochufer des Rheins abseits der alten Fernstraße, der sogenannten Römerstraße. Diese liegt westlich des Orts und war die Hauptverbindungsstraße von Basel nach Mainz von der Antike bis zur Neuzeit.
Die Gegend war im 2.-3. Jhd. n.Chr. übersät mit römischen Gutshöfen und Villen, sogenannte Villa Rustikas. Sie lagen alle in Sichtweite zueinander, im Abstand von 500 bis ca. 3000 Metern. Auch an den Hochuferspitzen, da, wo sich die Rheinschleifen begegnen, waren sicherlich Plätze, wo man gerne siedelte. Solche Schleifen befinden sich beim Spitzenrheinhof, so wie es heute noch der Name sagt, dann bei Otterstadt, Waldsee, Neuhofen und an vielen anderen Stellen, wo der alte Rhein seine Schleifen zog.
Ansonsten hat man hier geackert, gefischt und Schnaken gejagt.
Eigentlich nichts Besonderes auf den ersten Blick!
Die erste schriftliche Erwähnung von Otterstadt stammt aus einer Urkunde aus dem Jahre 1020. Seltsamerweise waren allerdings fast 60 Männer als Zeugen bei der Beurkundung dabei, wohlbemerkt in einem damals wahrscheinlich sehr kleinen Ort.
In der Chronik von Alfons Schreiner über Otterstadt ist seine Sichtweise über den Zeitpunkt der Ortsgründung auf Seite 18 und 19 beschrieben. Er erwähnt die Bedeutung der Endungen „ Heim“ und „Stadt“ im Ortsnamen, diese wiederum als Fränkische Gründungen bzw. Herkunft.
Den Ortsnamen Authari als Ureinwohner von Otterstadt zu bezeichnen, ist nicht nachzuweisen. Es hat im 5. Jahrhundert einen solchen gegeben, einen hochrangiger Offizier, der jedoch weit von hier weg seinen Namen machte. Die Endungen „-stadt“ sollen zwar auf eine angeblich höhere Stellung im Namen hinweisen als „-heim“, sogar ein Königshof oder Sitz wichtiger Personen wären da möglich. Aber solche Bauwerke hätte man hier sicherlich schon gefunden, wenn sie vorhanden wären. Spätestens nach dem ersten Sommer wäre Authari sicherlich wegen der vielen Schnaken wieder weggezogen! Es hätte ihm hier wahrscheinlich nicht gefallen, eher hätte es ihn in an die Weinstraße in eine große Villa gezogen.
Zeugnisse aus der Römerzeit sind in der Chronik von Alfons Schreiner auch beschrieben. Auf Seite 16 beschreibt er zum Beispiel den Fund bei Baggerarbeiten im Angelhof um 1940, sowie auch noch andere Fundstellen aus der Römerzeit im Dorf.
Zu erwähnen der Fund aus dem Jahr 1904, wo in drei Metern Tiefe beim Ausheben einer Grube im heutigen Remigiushaus, ehemaliges Pfarrhaus, Tongefäße gefunden wurden. Die außerdem erwähnten zwei Körperbestattungen innerhalb der alten Kirche in unterschiedlicher Tiefe stammen nicht von zwei, sondern, das weiß man heute, nur von einer Bestattung. Ein Teil des Skeletts wurde beim Neubau der alten Kirche beim Ausheben des Fundaments angeschnitten und die gefundenen Knochen beim Zumachen einfach wieder in den Fundamentgraben geworfen. Deshalb hatte dies den Anschein, die Knochen kommen aus zwei Gräbern. Ob das Skelett auch aus der Römerzeit stammt, wäre zu klären, ist aber unwahrscheinlich, denn die Toten wurden ja damals schon verbrannt. Gesichert ist aber ein spätrömischer Friedhof im Bereich der Keltenstraße. Dort wurden vor wenigen Jahren in einer Baugrube – aber leider zu spät erst im abgefahrenen Erdaushub – zwei bis drei spätrömische Brandgräber entdeckt.
1957 wurde im Angelhof bei Otterstadt ein Karolingisches Prunkschwert etwa aus dem Jahr 800 n.Chr. ausgebaggert. Eine Sensation, denn es gibt laut einer Beschreibung nur wenige davon. Innerhalb des fränkischen Reichsgebietes ist dem Schwert kein gleichwertiger Fund an die Seite zu stellen. Nur aus Skandinavien und England sind einige wenige ähnlich kostbare Schwerter aus Grabfunden hochrangiger Persönlichkeiten bekannt. Ein sagenhaftes Schwert mit einer Klinge aus Damaststahl, der Knauf des Griffes aus massivem Silber, verziert mit feuervergoldeten Schmuckblechen aus Silber und Bronze, ursprünglich noch mit Steinen verziert‚ vermutlich rote Almandine. Welcher Ort kann so etwas vorweisen?
Vor ein paar Jahren ist im Bereich vom Hochweg an der Siedlung ein Fränkischer Friedhof nachgewiesen worden. Der Fund eines Tongefäßes bei Ausschachtungsarbeiten brachte den gesicherten Beweis. Knochen und Schwerter wurden dort auch gefunden, diese sind leider verschollen.
Eine silberne Münze von Karl dem Großen kam dort auch zu Tage, leider nur als Bruchstück, jedoch von großer Seltenheit. Auch zu erwähnen sind einige spätrömische Münzen. Wie lange der Friedhof belegt wurde, weiß man noch nicht, man geht von einigen Jahrhunderten aus. Es könnten also dort noch einige Überraschungen warten!
Die Franken lebten also auch hier, leider ist nicht geklärt, wo. Meine Vermutung ist der Bereich vom Lindenplatz.
Bei der Kiesförderung im Angelhof, im Reffenthal, der Bannweide, im Auriegel und im Koller wurden überall Funde gemacht. Darunter waren natürlich auch viele Überreste von Tieren der Eiszeit, von Mammuts, Wisenten, Nashörnern und Büffeln. Aber es gab auch auffällig viele Metallfunde und Tongefäße. Nicht auszudenken, was an Kleinteilen heute irgendwo in Beton gegossen beim Hausbau unentdeckt verschwunden ist, weil es niemand gesehen hat.
Durch den Rhein hatten diese Funde lange Zeit wenig Bedeutung. Versenkte oder untergegangene Schiffe, Hochwasser oder kriegerische Auseinandersetzungen, wie sollte man diese Funde sicher zuweisen?
Auffällig sind dabei die Bereiche Auriegel, Bannweide und Koller. Hier wurden viele Waffen der Franken gefunden und sind dann leider verschollen. Vieles kenne ich nur noch vom Hörensagen.
Erzählt wurde von langen, angespitzten Pfählen, bearbeitetes Holz, das gefunden wurde und zerfiel, weil keiner etwas damit anfangen konnte.
2006 entdeckte ich bei der Arbeit im Koller Reste von Brettern und Balken, eindeutig mit Dübeln und Löchern versehen. Dabei kamen auch zerbrochene Mühlsteine, Pfostensteine und Dachziegel von Gebäuden, sehr viele Tonscherben und Metallreste zum Vorschein.
Bei der ersten Sichtung der Funde durch den für uns zuständigen Landesarchäologen, Herrn Dr. Schulz vom Denkmalamt in Speyer, war ihm sofort klar, dass die Holzteile von einem römischen Schwerlastschiff stammten. Das Landesamt für Denkmalpflege veranlasste eine Altersuntersuchung der Holzteile, wobei festgestellt wurde, dass das Holz aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. stammt. Durch die zusätzlichen Funde der Gebäudeteile wurde klar, dass an dieser Stelle auch noch Gebäude standen, eine Anlegestelle für das Schiff. Es handelt sich dort um eine Schiffslandestelle aus der Römerzeit für eine alte Fähre, mit der man den Rhein überquerte. Die dazu gehörigen Gebäude wurden wahrscheinlich von Handwerkern genutzt oder boten Übernachtungsmöglichkeiten, falls es zu spät wurde zum Übersetzen. Nach Aussagen des Landesamtes muss dies so auf beiden Rheinseiten vorhanden gewesen sein. Das wäre logisch für eine Fährverbindung aus der Römerzeit mit Gebäuden an der Anlegestelle, eine neue Sensation!
Der Rheinübergang lag also auf der Pfälzer Seite bei der Bannweide, die badische Anlegestelle im Koller. Deshalb auch so viele Funde, es waren Dinge, die beim Überqueren im Wasser verloren gingen.
Warum aber in diesem Bereich ? Es ist die engste Stelle zwischen zwei Rheinschleifen und deshalb gut zu überwachen. Von Rheinschleife zu Rheinschleife misst diese Stelle höchstens 400m. Zum Umfahren mit dem Schiff dauerte es einen ganzen Tag. Schiffer, die im Reffenthal morgens losfuhren, waren abends gerade auf der anderen Seite und konnten noch einmal im Reffenthal übernachten, erzählt man sich.
Zur Bannweide kommt man heute noch unverändert wie zur Zeit der Römer, nämlich über die Kollerstraße. Diese findet ihren Anfang an der alten Kirche (Remigiushaus), also wiederum an der Spitze des Hochufers.
Jetzt stelle man sich vor, ein Händler kommt mit seinem Ochsenkarren aus Richtung Heidelberg im Koller an und will über den Rhein. Natürlich muss er gerade warten, weil die Fähre auf der anderen Seite liegt. Bis die Fähre da ist, bis sein Karren und andere auf der Fähre sind und diese dann übergesetzt hat, sind sicherlich mehrere Stunden vergangen.
An einem normalen Tag konnte man mit einem solchen Gefährt 15 bis 18 km zurücklegen. Von der Bannweide zuerst über die Kollerstraße hoch zum heutigen Remigiushaus, dort weiter zum Ortsausgang Richtung heutigem Sportplatz, am Hochufer entlang, am Spitzenrheinhof vorbei, dann den Otterstadter Weg zur Wormser Straße und von dort Richtung Stadtmitte und Dom. Das wäre in etwa die Route, die solch ein Wagen bewältigen musste.
Eine Weiterfahrt nach Speyer wäre zeitlich nicht zu schaffen gewesen. Beim Ankommen im Bereich der alten Kirche hat man dort entgegenkommende Händler getroffen. Es wurde zunächst einmal die Ware bewundert und eventuell auch getauscht. Zum Weiterfahren war es dann zu spät und es wurde eine Bleibe im zukünftigen Otterstadt gesucht. Irgendwo im Bereich des alten Dorfes wird eine Herberge gestanden haben, um zu übernachten oder nur eine Mahlzeit einzunehmen. Andere Händler kamen auch von Altrip, über Waldsee oder direkt von der Römerstraße über den Hochweg zur Herberge, von Worms über Mutterstadt und Rehhütte oder aus dem Pfälzerwald. Die Rehhütte muss auch eine Herberge oder Wechselstation für Pferde gewesen sein. Die Entfernung zu Speyer entspricht mit ca. 18 km der Tagesleistung. Viele Funde deuten auch darauf hin.
Auffallend ist, dass aus vier Richtungen kommend sich die Straßen an der Kollerstraße treffen und es dann Richtung Fähre weitergeht. Die vierte Richtung ist aus Ketsch kommend. Ein optimaler Platz zum Handeln oder Tauschen. Die anderen Händler blieben vielleicht auch dort oder sie fuhren noch zur Fähre und suchten erst dort ein Lager. Es ist der kürzeste Weg von Neustadt nach Heidelberg, schreibt Horst Kuhn auf S. 300 in seiner Chronik von Otterstadt. Das zeigt auch, dass dieser Übergang beliebt war.
Jetzt kommt natürlich die Frage zum Ortsnamen.
Das Lesen der Schriften von Herrn Dr. Reiner Friebe, ein leider zu früh verstorbener Heimatforscher und Querdenker, weckte in mir das Interesse, den Namen zu deuten.
In seinen Schriften verweist Friebe auf das Verschleifen und Verwaschen von Sprachen und Dialekten. Es gab früher keine Rechtschreibung. Es wurde aufgeschrieben wie gesprochen oder gehört. Es wurde abgeschrieben und Fehler gemacht.
Hier einige Beispiele zur Aussprache:
Alta Rippa – Altrippa – Altripper – Altrip
Walachesheim – Waldsheim – Waldsem – Waldsee
Neuer Hof – neier Hof – Neihoffe – Neuhofen
Man stelle sich vor, wer im Laufe der Zeit alles da war: Römer, Hunnen, Alemannen, Franken und dazwischen noch viele mehr, jeder mit anderer Sprache oder Dialekt.
Für eine Bezeichnung gab es viele verschiedene Wörter.
Was also könnte Otterstadt bedeuten?
In der Urkunde von 1020 steht Odderstaterumarcha.
Das Wort zerlegt: Odder Stater um archa
Archa – bedeutet Gemarkung
Um – dem archa vorangestellt – ergibt keinen Sinn
Staterum – ergibt auch keinen Sinn
Stater – ergibt auch keinen Sinn – aber stat
Stat – hat mehrere Bedeutungen: Stelle, Ort, Stätte oder aber auch Handelsplatz
Das um an Stat angehängt – Statum – kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ebenfalls Stelle, Ort, Stätte oder Handelsplatz
Odder oder Otter wäre ein Bindewort oder Tier – ergibt auch keinen Sinn
Blieben noch die Abwandlungen Otter – Otte – Ott – Odde – Odd
Bei diesem Wort und diesen Möglichkeiten fand ich nur zu odd eine Verbindung im Altenglischen.
Eine Internetrecherche ergab Lösungsvorschläge mit dem Hinweis, mögliche Wörter so einzusetzen, dass sie Sinn machen. Diese sind für das Wort Odd:
merkwürdig, seltsam, sonderbar ‚eigensinnig, absonderlich, komisch
ungerade
überzählig, Außenseiter, abseits,
ungefähr, ca.
übrig, überzählig, restlich
Für mich gab es sofort ein Wort, das alles aussagte und somit in Frage kommt: abseits.
Die Buchstaben —er—sind meiner Meinung nach durch Verschleifung angehängt worden, um den Ort leichter auszusprechen.
Ich setze zusammen: Odd Statum Archa
Odd für abseits
Statum für Handelsplatz
Archa Gemarkung
Der Ortsname Otterstadt geht nicht auf einen Gründernamen zurück, sondern ist eine Ortsbezeichnung.
Odd Statum Archa — heißt also — abseits gelegener Handelsplatz mit Gemarkung.
Diese Bezeichnung hat wahrscheinlich römischen Ursprung, wurde im Volksmund übernommen und führte im Laufe der Zeit zur ersten schriftlichen Erwähnung –zu Odderstat.