Die Geschichte Otterstadts
Als Rheinanliegergemeinde hatte Otterstadt stets mit den jährlich mal stärker, mal weniger stark auftretenden Rheinhochwassern zu kämpfen. Bereits in einer Urkunde von 1487 finden wir die erste Nachricht, dass die Otterstadter „dämmen und deichen“ mussten, und auf dem Flurplan von 1615 sind Dämme zu erkennen, deren Verlauf dem der heutigen gleicht.
Nach dem Übergang der Pfalz an Bayern wurde durch Verordnung der Regierung des Rheinkreises vom 24. Dezember 1817 die Anlage neuer Dämme bei Otterstadt und Waldsee angeordnet, und nachdem sich auch die daraufhin 1818/19 errichteten Dämme einem Hochwasser im Januar 1820 nicht gewachsen gezeigt hatten, erließ König Max I. Joseph von Bayern am 21. Dezember 1820 eine neue „Rheindamm-Ordnung“.
Am einschneidendsten wurde Otterstadt jedoch durch die Rheinbegradigung (auch Rheinregulierung, Rheinkorrektur oder Rheinrektifikation genannt) unter Johann Gottfried Tulla (1770-1828) und seinen Nachfolgern zwischen 1817 und 1876 tangiert. Durch die künstliche Verkürzung des bis dahin verzopften und mäandrierenden Oberrheins wurden die Hochwassergefahr vermindert und die Voraussetzung für die Schiffbarmachung des Rheins des Rheins hinauf bis Basel geschaffen, die 1907 begonnen wurde.
Der Rheinlauf wurde durch insgesamt 25 Durchstiche um 81 km verkürzt. Entlang der badisch-pfälzischen Grenze zwischen der Lautermündung und Roxheim waren es insgesamt 18 Durchstiche (als letzter der Altriper Durchstich 1865); der Stromverlauf in diesem Bereich wurde durch das Durchstechen der Mäander von 135 Kilometer um 37 % auf 86 Kilometer Länge verkürzt.
Nach einer bayerisch-badischen Vereinbarung vom 26. April 1817 übernahm Bayern die Durchstiche auf badischem und Baden die Durchstiche auf bayerischem Gebiet. Die Breite des Rheins nach Durchführung der Maßnahme wurde von Tulla auf 240 Meter oberhalb und 300 Meter unterhalb Mannheims festgelegt.
Die Otterstadter Gemarkung war durch den Angelhofer (1826-1876) sowie den Otterstadter (1833-1845) und den Ketscher Durchstich (1833-1839) direkt betroffen. Als letzter Durchstich wurde der Angelhofer erst 1878 offiziell eröffnet. Durch den starken Zuzug von Arbeitern stieg die Bevölkerungszahl zeitweise sprunghaft an, mit Abschluss der Begradigung wurde vielen von ihnen die Erwerbsgrundlage entzogen. Infolge der Rheinkorrektion erhöhte sich die Fließgeschwindigkeit des Stroms, der sich dadurch tiefer in sein Bett eingrub. Entlang des Flussverlaufs sind noch Relikte der ehemaligen Rheinschleifen als Altrheinarme vorhanden, die heute teils wirtschaftlich genutzt werden (Kiesabbau), teils der Naherholung dienen.
Die Durchstiche führten zeitweise zu einem so großen Fischreichtum, dass die Hechte, Zander, Karpfen und Weißfische mit dem Wagen abtransportiert werden mussten. Der durch die Begradigung entstandene Otterstadter Altrhein blieb ein ergiebiges und begehrtes Angelrevier.
Die Rheinbegradigung hatte Grenzveränderungen zur Folge, die auch die Otterstadter Gemarkung betrafen. Am 24. April 1840 schlossen das Königreich Bayern und das Großherzogtum Baden einen Staatsvertrag, in dem sie ihre gemeinsame Landesgrenze entlang des Rheins neu festlegten. Im Tausch gegen einen rechtsrheinischen Brückenkopf der Festung Germersheim erhielt Baden die Kollerinsel gegenüber von Otterstadt, die durch die Rheinbegradigung entstanden war und nun (wie sonst nur die Innenstadt von Konstanz) linksrheinisch und dennoch badisch bzw. (seit 1952) baden-württembergisch ist.
Mit Vertrag vom 4. Oktober 1845 tauschten die badische Gemeinde Ketsch und Otterstadt ihre Waldungen, die bei der Rheinregulierung von ihren Gemeinden abgetrennt wurden. Am 10. August 1880 kam der Angelhof endgültig zur Gemarkung Otterstadt.