Quelle: Gemeindearchiv / VHNO

Handel im Wandel in Otterstadt

Unser Ottermarkt ist geschlossen!

Im Januar verbreitete sich das Gerücht wie ein Lauffeuer. Konnte man zunächst noch hoffen, dass es sich um „Fake-News“ handelt, wurde es schon kurz darauf zur Gewissheit. Ende Februar 2023 ging eine Ära zu Ende. Mehrere Gründe veranlasste die Inhaberfamilie Mühleisen, diesen auch für sie schmerzhaften Schritt zu gehen: Gestiegene Energie- und Personalkosten, die es immer schwerer machten, preislich mit den Discountern mitzuhalten. Der eklatante Mangel an Personal. Schwierigkeiten bei der Warenbeschaffung und dadurch bedingt Umsatzeinbußen. Es ist wenig verwunderlich, dass auch bürgernahen und verantwortungsbewussten Otterstadtern wie den Brüdern Mühleisen unter diesen Umständen irgendwann die Lust und der Antrieb genommen werden.

Quelle: Gemeindearchiv / VHNO / U. Stanzl Kolonialwarenladen Mühleisen und Ottermarkt
Oben: Kolonialwarenhandel Mühleisen um 1920 in der Lindenstraße (heute Volksbankfiliale) Unten: der Ottermarkt in der Lindenstraße gegenüber der Grundschule vor 2009.

Dabei hat der Lebensmittelhandel in der Familie bereits Tradition: Zunächst betrieb Josef Mühleisen in der Kirchenstraße 1 (heute Filiale der Vereinigte VR Bank Kur- und Rheinpfalz eG) ein Lebensmittelgeschäft. Der nur ca. 20 qm große Laden war für viele Schüler der benachbarten Schule ein beliebtes Ziel, denn neben Lebensmitteln gab es bei Josef Mühleisen auch Süßigkeiten sowie Schreibwaren und Schulbücher.
1959 übernahm Paul Mühleisen das Geschäft von seinem Vater und vergrößerte es auf 70 qm. Das Sortiment wurde nach und nach erweitert, viele Waren wurden mit der Zeit nicht mehr lose, sondern verpackt angeboten und dadurch die Selbstbedienung ermöglicht.
Der kleine Laden konnte die zunehmende Nachfrage nicht mehr bewältigen und Paul Mühleisen legte 1974 den Grundstein zum heutigen Ottermarkt, der am 1. August 1975 in der Lindenstraße 26 eröffnet wurde.

Mit der Schließung des Ottermarkts verloren die Otterstadter ihren Ortsmittelpunkt und einen beliebten Kommunikationsort. Gerade für ältere Einwohner war die zentrale Lage des Marktes ein großer Vorteil. Die Kunden schätzten die freundliche Atmosphäre und das gut sortierte Angebot. Fehlte etwas im Sortiment, wurden sogar persönliche Bestellungen entgegen genommen, und an der Kasse konnte man im Notfall bis zum nächsten Einkauf auch einmal „anschreiben“ lassen. Wo gibt es das sonst noch?
Ob es an gleicher Stelle mit einem anderen Supermarkt weitergeht, ist ungewiss. Franz Mühleisen sondiert die Angebote und Ideen und wird eine Entscheidung treffen.

Was ging Ihnen, liebe Leser, durch den Kopf, als Sie von der Schließung des Ottermarktes hörten? Haben Sie Ideen, wie es weitergehen könnte? Wir veröffentlichen gerne ein Stimmungsbild und Ihre Meinung.
Schreiben Sie uns: redaktion@1000jahre.otterstadt.de

Metzgerei Erbach

Vom Brandmetzger zur alteingesessenem Dorfmetzgerei

Quelle: Gemeindearchiv / VHNO Historisches Bild der Metzgerei Erbach
Quelle: H. Peschmann Metzgerei Erbach
Oben: Metzgerei Erbach in der Luitpoldstraße um 1952. Unten im Jahr 2010

Die Metzgerei Erbach schaut auf eine lange Geschichte zurück. Josef Erbach, der Ur-Ur-Großvater des jetzigen Inhabers, war zwar Zimmermann, doch als „Brandmetzger“ half er auch bei Hausschlachtungen aus. Sein Sohn Ludwig erlernte den Metzgerberuf bei Abraham Weil, der in seinem Gemischtwarenladen auch Fleisch- und Wurstwaren verkaufte.

1912 eröffnete Ludwig Erbach seine eigene Metzgerei in der Ringstraße und verlegte diese 1930 in die Luitpoldstraße an ihren jetzigen Standort. 1948 übernahm sein Sohn Emil die Fleischerei und erbaute ein neues Schlachthaus.

Dessen Sohn Friedrich übernahm ab 1978 und baute den Verkaufsladen 1987 um. Als ältestes Fleischerei-Fachgeschäft Otterstadts steht der jetzige Inhaber Tobias Erbach also in einer langen Tradition, die womöglich durch seinen Sohn weitergeführt wird. (Quelle: Horst Kuhn, Otterstadt – Meine Heimat, S. 212)

Quelle: Gemeindearchiv / VHNO / H. Peschmann Handel in Otterstadt
Oben: Kolonialwarengeschäft Benkert in der Schulstraße (Gegründet 1902). Unten Getränkehandel Benkert in der Ringstraße (2021)

Josef Benkert betrieb seit 1902 ein Kolonialwarengeschäft in der Schulstraße 1. 1926 begann er mit der Herstellung von Mineralwasser und Limonade und rüstete seine „Fabrik“ mit modernsten Maschinen zum Mischen, Abfüllen und Spülen aus. Anscheinend traf er den Geschmack der Zeit, denn die große Nachfrage nach seinen Getränken veranlasste ihn, das Geschäft in die Ringstraße 47 zu verlegen und eine größere Abfüllanlage zu erwerben. Als auch diese nicht mehr ausreichte, entschied der mittlerweile geschäftsführende Sohn Karl Benkert Anfang der 1960er Jahre, die Abfüllung in eine externe Firma auszulagern.

1968 erweiterte die Familie Benkert ihr Getränkesortiment und bot seitdem neben Wasser und Limonaden auch diverse Weine, Biere, Spirituosen und Säfte an.

Bis 2019 betrieb Fred Benkert als Inhaber den Getränkeabholmarkt in der Ringstraße, der zwischenzeitlich auch als Postagentur diente. Dann wurde der Getränkehandel an die Getränke Herold e.K. verkauft, die das Geschäft Ende 2022 für immer schloss.


Die Otterstadter Handelswelt von morgen: besorgniserregend!

Bekanntermaßen hat der Motorisierungsgrad in Deutschland im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stark zugenommen. Deshalb ist es für die meisten einfach und bequem, ein großes Einkaufszentrum am Stadtrand aufzusuchen, wo man ein geballtes, breites Angebot vorfindet.

Doch im Hinblick auf die zunehmende Anzahl älterer Bürger, die nicht mehr mit dem Auto fahren möchten oder können, und auch unter dem Gesichtspunkt der Umweltbelastung durch den Verkehr, ist die Versorgung der Einwohner vor Ort wichtig und wünschenswert.

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, das Gewünschte telefonisch oder per Internet zu bestellen und liefern zu lassen. Dies sollte jedoch nur eine zusätzliche Option sein, denn oftmals möchte man die Ware vor dem Kauf sehen und anfassen. Der Lieferservice belastet außerdem die Umwelt durch Verpackung und Transport.

Auch in Otterstadt nimmt die Anzahl der Geschäfte kontinuierlich ab. Waren es Mitte des 20. Jahrhunderts noch viele kleine Gewerbebetriebe und „Tante-Emma-Läden“, so konzentriert es sich im Jahr 2021 auf zwei Supermärkte und wenige Fachgeschäfte. Anfang 2023 schließt der Ottermarkt, und es ist noch unklar, ob an seiner Stelle ein anderer Supermarkt öffnen wird. (Stand Februar 2023)